„Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“, sang Drafi Deutscher 1965 zum ersten Mal. Das reimt sich, das ist okay. Aber grammatisch ist sein Text ein No-Go. Verben müssen zu ihrem Bezugswort – im Falle von „Marmor, Stein und Eisen“ zu mehreren Bezugswörtern – passen: Eigentlich hätte es „Marmor, Stein und Eisen brechen“ heißen müssen.
Wie sieht es aus, wenn Sie Verben verwenden und es nicht um Liedtexte, Gedichte oder gereimte Slogans geht? Wann und wie passen Subjekt(e) und Prädikat zusammen? Und haben Sie bei Verben und Substantiven auch Wahlmöglichkeiten? Ich zeige Ihnen, wie Sie korrekt formulieren.
Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat: Singular oder Plural
Verben korrekt konjugieren: Die richtige Grammatik hängt von Einzahl und Mehrzahl ab. Genauer gesagt: von der Kongruenz zwischen Substantiven und Verben. Singular oder Plural gehören präzise aufeinander abgestimmt. Achten Sie darauf, an welche Wörter oder Wortgruppen Ihre Verben anknüpfen:
- „Grammatisch korrekt zu schreiben, ist wichtig.“
- „Korrekte Rechtschreibung und Grammatik besitzen elementare Bedeutung.“
Verben im Singular oder im Plural: Grammatische Zweifelsfälle
Ganz so einfach ist es mit der Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat allerdings nicht immer. Denn der Duden listet etliche Zweifelsfälle auf – und lässt den Plural statt des Singulars oder Singular-Varianten statt Plural-Formen zu. Eindeutige Regeln legt der Duden aber nicht fest. In folgenden Fällen können Sie Ihrem persönlichen Sprachgefühl folgen:
Mengenangaben
Wie würden Sie folgende Verben konjugieren?
- „Ein Drittel der Betriebsratsmitglieder stimmte dafür“ oder „Ein Drittel der Betriebsratsmitglieder stimmten dafür“?
- „Zehn Prozent Rabatt werden abgezogen“ oder „Zehn Prozent Rabatt wird abgezogen“?
Nach grammatischen Kriterien – zugunsten der gebotenen Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat – ist in meinem ersten Beispiel der Singular korrekt: weil sich „stimmte“ auf „ein Drittel“ und nicht auf „Betriebsratsmitglieder“ bezieht. Das gilt auch für weitere Mengenangaben:
- „ein Prozent der Teilnehmer“ und „ein Dutzend der Gäste“,
- „die Hälfte“ oder „die Mehrzahl der Anwesenden“,
- „ein Teil“, „eine Fülle“ oder „jede Menge“.
Ähnlich, aber umgekehrt liegen die Dinge bei „zehn Prozent Rabatt“. Das Verb „werden“ hängt von „zehn Prozent“, dem ersten Teil des Subjekts, ab – und nicht von „Rabatt“.
Doch Sie könnten in beiden Fällen auch anders herangehen. Zu „einem Drittel“ gehören nun mal mehrere Betriebsratsmitglieder – und mehrere Personen verlangen den Plural. Auch bei „zehn Prozent Rabatt“ können Sie sich an „Rabatt“ statt an „zehn Prozent“ orientieren: Dann lägen Sie mit „wird“ richtig.
Mein Tipp: Ich rate zu den beiden grammatisch korrekten Varianten: beim ersten Beispiel im Singular, beim zweiten Beispiel im Plural.
Substantive: Einzahl oder Mehrzahl mit näherer Bestimmung
Die Substantive, auf die sich Ihre Verben beziehen, können in der Einzahl oder in der Mehrzahl stehen – und durch eine nähere Bestimmung ins Gegenteil umgeformt werden. Erweitern Sie den Singular in den Plural, könnten Sie schreiben
- „Jeder – Auszubildende, Erwerbstätige und Rentner – soll/sollen profitieren“,
- „Max Giesinger nebst Band tourt/touren im Sommer 2024 durch Deutschland“,
- „Das Gewandhausorchester samt Kapellmeister Andris Nelsons probte/probten für …“.
Mein Tipp: Einschübe oder Wörter wie „nebst“ und „samt“ ändern nichts daran, dass die Subjekte meiner Beispielsätze im Singular stehen. Werden Sie der Kongruenz zwischen Substantiv und Prädikat gerecht und nutzen Sie die Einzahl.
Umgekehrte Fälle – Pluralformen, die durch einen Einschub im Singular ergänzt werden – gibt es natürlich auch:
- „Die Menschen, vor allem die Stadtbevölkerung, sind/ist motiviert, weil …“,
- „Die Befürworter, insbesondere die intellektuelle Elite, engagieren/engagiert sich für …“.
Mein Tipp: „Die Menschen“ und „die Befürworter“ bleiben trotz der eingefügten Ergänzungen Subjekte im Plural: Beugen Sie Ihre Verben daher ebenfalls im Plural.
Firmennamen
Wie sieht’s mit Subjekten und Prädikaten aus, wenn Sie Firmennamen verwenden? Muss es heißen
- „Wagner & Söhne bekommen den Auftrag“ oder „Wagner & Söhne bekommt den Auftrag“?
- „Fischer, Schmidt & Partner übernehmen die Verteidigung“ oder „Fischer, Schmidt & Partner übernimmt die Verteidigung“?
Wenn Firmennamen aus mehreren Personen und/oder Partnern bestehen, sind beide Formulierungen möglich.
Mein Tipp: Hinterfragen Sie, ob Sie über die Personen „Wagner & Söhne“ und „Fischer, Schmidt & Partner“ schreiben – oder ob es Ihnen um beide Firmennamen geht. Bei Personen empfehle ich den Plural, bei Firmenbezeichnungen dagegen den Singular. Behelfen können Sie sich in diesem Fall durch ein ergänzendes Substantiv:
- „Die Kanzlei Fischer, Schmidt & Partner übernimmt die Verteidigung“ oder
- „Die Agentur Wagner & Söhne bekommt den Auftrag“.
Arbeiten Sie bei Firmennamen dagegen mit Abkürzungen wie „AG“ oder „GmbH“, liegen die Dinge etwas anders:
- „Die Baustoffwerke GmbH sind/ist unser neuer Partner“.
Greifen Sie zu „sind“, beziehen Sie sich stärker auf „Baustoffwerke“. Und nutzen Sie „ist“, verschieben Sie den Fokus auf „GmbH“.
Mein Tipp: Bei solchen Abkürzungen bevorzuge ich den Singular: Konzentrieren Sie sich auf den kompletten Firmennamen einschließlich GmbH oder AG.
Aufzählungen mit Doppelpunkten oder Stichpunkten
Wenn Sie mehrere Substantive oder Wortgruppen aufzählen, greift normalerweise der Plural: „Korrekte Rechtschreibung und Grammatik besitzen elementare Bedeutung“. Aber wenn Sie einen Doppelpunkt nutzen (und danach vielleicht Stichpunkte einsetzen), dürfen Sie auch im Singular formulieren: „Elementare Bedeutung besitzt: richtige Rechtschreibung, fehlerfreie Grammatik und korrekte Zeichensetzung“. Oder eben „Elementare Bedeutung besitzt:
- richtige Rechtschreibung,
- fehlerfreie Grammatik,
- korrekte Zeichensetzung.“
Mein Tipp: Hier plädiere ich zugunsten der Kongruenz zwischen Subjekten und Prädikat für den Plural. Wenn Sie mehrere Aufzählungsglieder einfügen: Warum sollten Sie ausgerechnet hier grammatisch falsch formulieren?
Mehrere Substantive in enger Verbindung
Sie nutzen zwei Substantive und beide könnten als inhaltliche Einheit gelten? Zum Beispiel
- „Rechtschreibung und Grammatik ist Ihnen wichtig“?
- Oder doch lieber „Rechtschreibung und Grammatik sind Ihnen wichtig“?
Mein Tipp: Greifen Sie zum Plural: Rechtschreibung und Grammatik verdienen ein Verb in der Mehrzahl.
Formulierungen mit „jede(r)“ und „kein(e)“
Mit „jede“, „jeder“, „kein“ oder „keine“ beziehen Sie sich auf einzelne Personen oder einzelne Dinge – selbst dann, wenn Sie zwei oder drei Substantive (jeweils im Singular) verwenden. Sie schreiben oder sprechen über Einzelpersonen oder einzelne Gegenstände. Daher empfiehlt der Duden den Singular:
- „Jeder Rechtschreibfehler und jeder andere Fehler ist ein No-Go“,
- „Keine Kundin und kein Auftraggeber hat bislang storniert“.
Möglich ist das auch bei „manche“ und „mancher“:
- „Manche Mitarbeiterin und mancher Mitarbeiter befürwortet die Neuerungen nicht“.
Mein Tipp: Im Sinne der Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat rate ich ebenfalls zum Singular. Nutzen Sie jedoch im Falle von „manche“ Substantive im Plural, müssen Sie Ihre Verben anpassen: „Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befürworten keine Neuerungen“.
Substantivierte Infinitive
Substantivierte Infinitive sind leicht zu erkennen – weil Sie Artikel oder Adjektive voranstellen können:
- „(Das) Arbeiten im Schichtdienst und unzureichendes Pausieren kann/können gesundheitliche Probleme fördern“.
Verwenden Sie mehrere substantivierte Infinitive, lässt der Duden den Plural und den Singular zu: weil es sich anders als bei „echten“ Substantiven („Schichtarbeit und fehlende Pausen“) um weniger „klare“ Tätigkeiten handelt. Substantivierte Verben könnten daher besser als Einheit verstanden werden.
Mein Tipp: Nutzen Sie bei substantivierten Infinitiven und den zugehörigen Prädikaten den Plural. Denn in meinem Beispielsatz geht es um „das Arbeiten im Schichtdienst“ und um „unzureichendes Pausieren“: Daher ist die Mehrzahl angebracht.
„Nicht nur, sondern auch“
Substantive in enger Verbindung oder als Einheit? Das trifft auch auf Formulierungen mit „nicht nur, auch“, „nicht nur, sondern auch“ und „nicht, sondern“ zu:
- „Nicht nur der Direktor, (sondern) auch die Abteilungsleiterin war/waren zugegen“,
- „Nicht die Chefin, sondern ihr Stellvertreter war/waren anwesend“.
Grammatisch handelt es sich hier um Verkürzungen (um sogenannte elliptische Aneinanderreihungen). Sie könnten auch schreiben:
- „Nicht nur die Chefin war zugegen, sondern auch ihr Stellvertreter war anwesend“.
Daher spricht sich der Duden für Verbformen im Singular aus.
Mein Tipp: Um der Kongruenz zwischen Subjekten und Prädikat gerecht zu werden, empfehle ich ebenfalls den Singular. Denn wenn Sie solche elliptischen Verkürzungen ausformulieren, nutzen Sie ja ebenfalls die Einzahl.
„Sowohl als auch“
Mit „sowohl als auch“ reihen Sie zwei (oder mehrere) Substantive aneinander: ähnlich wie mit „und“. Dennoch ist hier neben dem Plural auch der Singular möglich – weil Sätze mit „sowohl als auch“ ebenfalls als elliptische Reihung von Substantiven verstanden werden können:
- „Sowohl die Angestellte als auch der freie Mitarbeiter ist/sind für das Projekt verantwortlich“,
- „Sowohl die Gewerkschaften als auch der Betriebsrat hat/haben …“.
Mein Tipp: Steht eines Ihrer Substantive im Plural, empfehle ich auch beim Verb den Plural: „Sowohl die Gewerkschaften als auch der Betriebsrat haben …“. Und bei allen anderen Formulierungen? Folgen Sie Ihrem Sprachgefühl und setzen Sie die Einzahl oder die Mehrzahl ein. Gleiches empfehle ich übrigens bei Formulierungen mit „weder … noch“.
Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat: Last, but not least …
Manche Formulierungen haben sich als sogenannte „formelhafte Wendungen“ etabliert: zwei Substantive als feste und gebräuchliche Verbindungen. In der Regel gelten diese Substantive als Einheit. Daher sollten Sie Verben im Singular verwenden:
- „Zeit und Geld fehlt“,
- „Groß und Klein war zugegen“ oder
- „Grund und Boden gehört …“.
Dennoch: Mitunter sind solche Verbindungen nicht eindeutig als formelhafte Einheit zu verstehen. Bei „Freud und Leid liegt/liegen nah beieinander“ oder „Freund und Feind ist/sind zugegen“ zum Beispiel: Verlassen Sie sich bei der Kongruenz von Subjekten und Prädikat auf Ihr Sprachgefühl – und nutzen Sie hier den Singular oder den Plural.