Eine Unternehmenssprache mit Wiedererkennungswert – als Corporate Language oder Corporate Wording bezeichnet – bringt viele Vorteile. Doch welche Vorteile sind das eigentlich? Brauchen nur große Firmen ein individuelles Sprachkonzept? Oder auch der Fotograf von nebenan und die Rechtsanwältin von gegenüber? Und was gehört alles zu einer solchen Corporate Language?
Fragen über Fragen, die ich in meinem Leitfaden rund um eine vorteilhafte und individuelle Unternehmenssprache beantworte: von Vorteilen für Sie über zahlreiche Beispiele bis hin zu einer Checkliste – mit der Sie eine Corporate Language für Ihr Unternehmen entwickeln können, falls Sie und Ihre Firma noch ganz am Anfang stehen.
Eine einheitliche und individuelle Unternehmenssprache: Ihre Vorteile
In Ihrem Unternehmen gibt es bereits eine Corporate Language? Perfekt! Oder Sie haben sich schon Gedanken über Ihre Kommunikation gemacht – und wollen klare Richtlinien entwickeln? Das ist eine gute Idee. Denn eine präzise Unternehmenssprache bringt Ihnen und Ihrer Firma eine ganze Menge. Sie
- positionieren sich, Ihre Firma, Ihre Produkte oder Ihre Dienstleistungen,
- sind wiedererkennbar: im besten Fall schon bei kleinen Sprachschnipseln,
- können Ihre Angebote von denen der Konkurrenz abgrenzen – und sich Aufmerksamkeit sichern,
- sprechen im Idealfall die Sprache Ihrer Wunschkunden und richten sich gezielt an Ihre Leserinnen und Leser,
- bauen Vertrauen auf: So binden Sie interessierte Kunden an Ihr Unternehmen,
- setzen auf eine einheitliche Sprache und einen einheitlichen Stil: Ihre Kunden wissen, woran sie sind – in allen Medien und auf sämtlichen Kanälen.
Eine einheitliche Corporate Language bringt immer Pluspunkte. Und zwar bei Marketingtexten, Anzeigen und Social-Media-Posts, bei Slogans und Geschäftsberichten, im Kundenservice oder in firmeneigenen Podcast-Folgen: ganz egal, ob Sie einen Konzern, einen Familienbetrieb, ein Geschäft oder ein Kleinunternehmen führen – oder ob Sie soloselbstständig sind.
Ihre Corporate Language: Nur mit Styleguide!
Eine individuelle Unternehmenssprache braucht eindeutige Regeln. Das heißt für Sie: Halten Sie klare Kriterien und Formulierungsbeispiele fest.
Wenn Sie soloselbstständig sind, können Sie Ihre persönlichen Richtlinien (was alles dazugehört, erfahren Sie im nächsten Abschnitt) einfach zusammenstellen. Und wenn Sie Angestellte haben, entwickeln Sie am besten einen Leitfaden: als Broschüre oder als PDF-Handbuch. Denn durch einen solchen Styleguide
- können Sie als Einzelunternehmerin oder Einzelunternehmer jederzeit nachschlagen: Wie war das doch gleich? „Beginn: 10:00 Uhr“ oder „Beginn: 10.00 Uhr“? Oder „Beginn um 10 Uhr“?
- erhalten Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konkrete Richtlinien: in der Öffentlichkeitsarbeit, in der hauseigenen Kommunikationsabteilung – und für E-Mails, Geschäftsbriefe oder automatische Abwesenheitsnotizen,
- zeigen Sie neuen Mitarbeitern, welche Kommunikationsregeln für Ihr Unternehmen gelten: von neuen Angestellten über Aushilfen bis hin zu Werkstudenten oder neuen Praktikantinnen,
- bekommen freie Mitarbeiter – Texterinnen, Lektoren oder Korrektoren – Leitlinien, was bei Ihrer Unternehmenssprache zu beachten ist.
Ihre Unternehmenssprache: Das gehört dazu
Was gehört alles zu Ihrer Corporate Language? Wahrscheinlich mehr, als Sie auf den ersten Blick glauben. Falls Sie noch über einen eigenen Sprachstil für Ihre Firma nachdenken, gebe ich Ihnen Empfehlungen für Ihre Unternehmenssprache mit. Und wenn Sie bereits auf firmentypische Vorgaben und Formulierungen setzen? Dann nutzen Sie meine Liste als Orientierungshilfe: Überprüfen Sie Ihre sprachlichen Richtlinien.
1. Rechtschreibung
Die Corporate Language Ihrer Unternehmenstexte ist zunächst eine Frage der Rechtschreibung. Seit der Rechtschreibreform Ende der 1990er-Jahre gibt es eine ganze Reihe möglicher Variantenschreibungen. Alle Varianten sind korrekt, allerdings empfiehlt der Duden jeweils eine Möglichkeit:
- „anstelle“ statt „an Stelle“,
- „Back-up“ statt „Backup“,
- „2010er-Jahre“ statt „2010er Jahre“ oder
- „selbstständig“ statt „selbständig“.
Mein Tipp: Wenn Sie diesen Empfehlungen folgen, legen Sie präzise Regeln für sich, für Ihre Angestellten und für freie Mitarbeiter(innen) fest. Bevorzugen Sie die Alternativen, müssen Sie festhalten, welche Varianten gelten sollen: Wenn Sie den Duden-Empfehlungen folgen, haben Sie es leichter.
2. Zielgruppengerechte Tonalität
Tonalität, heißt es bei Wikipedia, „ist ein Teil der Werbebotschaft, der über Stil und Atmosphäre an den Empfänger vermittelt wird“. Stil und Atmosphäre können unterschiedliche Klangfarben besitzen:
- sachlich, seriös, ernsthaft,
- direkt, klar, unmissverständlich,
- hilfreich, erklärend, beratend,
- hip, witzig, frech oder
- herzlich, emotional, einfühlsam, verständnisvoll.
Wie Sie Ihre individuelle Unternehmenssprache gestalten, hängt von Ihren Kundinnen und Kunden ab. Ein Szeneclub braucht eine andere Sprache als ein gutbürgerliches Lokal, eine Studentenkneipe sollte anders klingen als ein Nobelrestaurant: Legen Sie die passende Tonalität Ihrer Corporate Language anhand Ihrer Zielgruppe(n) fest.
3. Zielgruppengerechte Wortwahl
Fachbegriffe oder ausführliche Erläuterungen? Anglizismen oder deutsche Begriffe? Umgangssprachliche Klangfarbe oder Hochsprache? Hier kommt vieles auf Ihre Zielgruppe an. Würden Anglizismen oder die Umgangssprache bei Ihren Kundinnen und Kunden ankommen? Und kennen sich Ihre Leser mit Fachbegriffen und branchenüblichen Bezeichnungen aus – oder nicht?
Entscheiden Sie mit Blick auf Ihre Zielgruppe(n), welche Wörter sich für Ihre Corporate Language eignen. Und worauf Sie besser verzichten:
- „NoFollow-Attribut“ oder „Links, denen Suchmaschinen nicht folgen“?
- „AIDA-Formel“ oder „Werbung beeinflusst die Kaufentscheidung: durch Aufmerksamkeit, Interesse, Wünsche und aktives Handeln“?
- „Agreement“ oder „Vereinbarung“?
- „Executive Board“ oder „Geschäftsleitung“?
- „Schnapsidee“ oder „nicht ernst zu nehmender Einfall“?
4. Gendern
Gendern Sie in Ihren Firmentexten? Oder bleiben Sie beim generischen Maskulinum? Falls Sie geschlechtergerecht formulieren wollen, sollten Sie einige Fragen klären:
- Sonderzeichen à la „Kund*innen“, „Kund:innen“, „KundInnen“, „Kund/-innen“, „Kund/innen“ oder „Kund_innen“?
- Paarformen wie „Kolleginnen und Kollegen“?
- neutrale Begriffe wie „Mitarbeitende“, „unsere Angestellten“, „unser Team“ oder „Personal“?
- allein Personen („Expert*innen“, „Ingenieur:innen“, „Logistiker_innen“) gendern – oder auch Firmen und Institutionen („Kund/-innen wie die Baugesellschaft mbH, das Robert Koch-Institut und E.ON“)?
- Zusammensetzungen und Adjektive gendern („KundInnenberatung“, „kund*innenfreundlich“) – oder nicht?
5. Formales
Auch formal bleibt beim Stichwort „individuelle Unternehmenssprache“ einiges zu beachten. Denken Sie an
- Hervorhebungen, Überschriften oder Grafiken in Versalien: mit Versal-Eszett („MAẞANFERTIGUNG“) oder mit Doppel-S („MASSANFERTIGUNG“)?
- Zitate: mit Anführungszeichen, in einer separaten Schriftart und/oder Schriftgröße, in kursiver Schrift oder vielleicht farbig?
- Titel (Bücher, Zeitschriften, Songs, Theaterstücke, Filme, Veranstaltungen …): in Anführungszeichen, kursiv oder in anderer Form?
- Anführungszeichen: deutsche Anführungszeichen („…“) oder französische Guillemets (»…«)?
- die Textgestaltung: Blocksatz oder Flattersatz? Und wo sollte Ihr Text zentriert ausgerichtet werden?
6. Ihr Unternehmensname
Wie soll laut Ihrer Corporate Language Ihr Unternehmensname geschrieben werden? Setzen Sie auf
- Versalien, Kapitälchen, kursive Schrift oder Unterstreichungen?
- bestimmte Schriftgrößen, farbliche Kennzeichnungen oder Betonungen durch fette Schrift?
- das kaufmännische „Und“ („&“)?
- Artikel („KfW“ oder „die KfW“)?
- Zusatzbezeichnungen wie „GmbH“, „AG“ oder „SA“ („Porsche Leipzig“ oder „Porsche Leipzig GmbH“)?
7. Abkürzungen und Symbole
Ihre individuelle Unternehmenssprache betrifft auch Abkürzungen und Symbole: Wollen Sie sie nutzen oder sollte ausgeschrieben werden? Nutzen Sie
- „z. B.“, „bspw.“, „ggf.“, „a. a. O.“ oder „u. a.“ – oder „zum Beispiel“, „beispielsweise“, „gegebenenfalls“, „am angegebenen Ort“ und „unter anderem“?
- „€“, „EUR“, „£“ oder „GBP“, „$“ und „USD“ – oder doch lieber „Euro“, „Pfund“ und „Dollar“?
- „%“ und „©“ – oder „Prozent“ und „Copyright“?
Außerdem: Legen Sie in Ihrer Corporate Language für Fließtexte „zum Beispiel“, „Prozent“ oder „Euro“ fest – für Tabellen und Grafiken aber „z. B.“, „%“, „€“ oder „EUR“?
8. Fremdwörter
Wie sieht’s mit Anglizismen und anderen Fremdwörtern aus? Sie können Begriffe aus anderen Sprachen nutzen, Sie können sie eindeutschen – oder Sie können allein weniger bekannte Fremdwörter übersetzen (wenn ja: welche Wörter?):
- „asap“ für „as soon as possible“ oder lieber „so schnell wie möglich“?
- „à la“ oder „im Stil von …“?
- „Chapeau!“ oder „Respekt!“?
- „Fiasko“ oder besser „Misserfolg“?
9. Zahlen
Wie gehen Sie in Ihren Firmentexten und in Ihrer Corporate Language mit Zahlen um? Sollen Ihre Angestellten oder freie Mitarbeiter(innen)
- Zahlen von 1 bis 12 als Zahlwörter schreiben und alle Zahlen ab 13 in Ziffern? Oder gehen Sie etwas freier mit dieser (inzwischen nicht mehr verbindlichen) Regel um, nach der erst Zahlen ab 13 in Ziffern geschrieben werden?
- laut Ihrer individuellen Unternehmenssprache auf Angaben wie „Nummer 2“ und „Versuch 8“ setzen – oder auf „Stückzahl zehn“?
- Zahlen in bestimmter Form gliedern: „80.000 Euro“, „160 000 Euro“ oder vielleicht „25000 Euro“?
10. Uhrzeiten, Datum, Telefon und Fax
Wie sieht’s mit anderen Zahlenformaten aus? Bei Uhrzeiten, Datumsangaben, Telefon- und Faxnummern besteht Spielraum:
- „10 Uhr“, „10.00 Uhr“ oder „13:45 Uhr“, „13–15 Uhr“ oder „13 bis 15 Uhr“?
- „5.7.2024“, „05.07.2024“, „5. Juli 2024“ oder „2024-07-05“?
- „+49-123-45678912“, „0123 456 789 12“, „0123 / 45 78 912“ oder in anderer Art und Weise?
11. Zeitangaben
Auch bei Zeitangaben ist vieles machbar. Und Sie sollten die Frage klären, ob Sie in Fließtexten anders schreiben als in Tabellen oder Infoboxen. Schreiben Sie laut Ihrer Corporate Language
- im Fließtext „2001 bis 2008“ – und in Tabellen „2001–2008“?
- durchgängig „2001 bis 2008“?
- „1997–1998“ oder „1997/98“?
- „Oktober und November 2024“, „Okt., Nov. 2024“ oder „Okt./Nov. 2024“?
12. Literaturangaben
Greifen Sie in Ihren Texten zu Literaturangaben? Auch wenn Sie nur hin und wieder Literatur angeben: Halten Sie fest, wie Bücher, Aufsätze und Onlinequellen zu schreiben sind. Möglich ist eine ganze Menge:
- Rorig, Daniela: Texten können. Das neue Handbuch für Marketer, Texter und Redakteure. Bonn: Rheinwerk Verlag, 2020,
- Rorig, D. (2020): TEXTEN KÖNNEN. DAS NEUE HANDBUCH FÜR MARKETER, TEXTER UND REDAKTEURE. Bonn, Rheinwerk Verlag,
- Daniela Rorig: Psychologie des Textens – einnehmen, überzeugen und bestärken. In: dies.: Texten können. Bonn, 2020, S. 93–105,
- Rheinwerk Verlag: Texten können, www.rheinwerk-verlag.de/texten-koennen-das-neue-handbuch-fuer-marketer-texter-und-redakteure,
- www.rheinwerk-verlag.de/texten-koennen-das-neue-handbuch-fuer-marketer-texter-und-redakteure (letzter Zugriff: 5.7.2024) oder
- https://www.rheinwerk-verlag.de/texten-koennen-das-neue-handbuch-fuer-marketer-texter-und-redakteure (05.07.2024).
Nicht zuletzt: Vergessen Sie Ihre Leseransprache nicht
Auch bei Ihrer Corporate Language spielen Ihre Kundinnen oder Ihre Websitebesucher eine entscheidende Rolle. Mit einer direkten Leseransprache sichern Sie sich Pluspunkte: entweder per „Sie“ oder per „du“. Auch hier brauchen Sie einheitliche Richtlinien. Und zwar sowohl für Ihre Website und Ihre Werbetexte als auch für Ihre Social-Media-Kanäle.
Auf vielen Social-Media-Plattformen hat sich das „Du“ etabliert – und wenn Sie auf Ihrer Unternehmenswebsite siezen, können Sie auf Social Media durchaus zum „Du“ wechseln. Einige Branchen – Arztpraxen, Banken oder Versicherungen – bleiben allerdings auch hier beim „Sie“. Halten Sie für sich und Ihre Mitarbeiter fest, wo Sie welche Leseransprache nutzen. Dann profitieren Sie von den Vorteilen einer individuellen Unternehmenssprache!